Robertson - Die Beflügelte

Seit die Stauseen der Du-Toitskloof-Berge auch während der trockenen Sommermonate für ausreichend Wasser sorgen, hat sich der Charakter des Robertson-Gebiets gewandelt. Wo Siedler erst Anfang des 19. Jahrhunderts begannen, auf  kargen, steppenähnlichen Weiden Schaf- und Straußenzucht zu betreiben, leuchtet sattes Grün in den Tälern und dehnen sich auf niedrigeren hanglagen Weinfelder aus.

Möglich wird der Weinbau hier erst durch die gesicherte Wasserzufuhr - die meisten Güter liegen unmittelbar am Fluss -, aber zwei weitere Phänomene wirken sich entschieden positiv aus. Die sommerliche Hitze wird nachmittags mit schöner Regelmäßigkeit gemildert, wenn vom 80 Kilometer entfernten Ozean Wolken herandrängen, sich über die Bergketten schieben und die Temperaturen zum Sinken bringen.

Die vergleichsweise kühlen Nächte bewirken eine Ausdehnung der Reifeperiode und bewahren den Trauben ihre Aromen. Der zweite Faktor räumt dem Gebiet eine Sonderstellung ein. Überall sonst in der Kapregion herrschen saure Böden vor, in Robertson aber sind sie kalkreich. Aus diesem Grund werden hier auch Pferde gezüchtet, denn der Kalk stärkt deren Knochenwuchs. Den Weinen verhilft er zu ganz besonderer Finesse.

Obwohl man auch hier früher überwiegend Chenin und Colombard für Brennweine produzierte, die noch immer den Hauptanteil unter den Sorten ausmachen, versteht man es inzwischen, daraus sehr angenehme, aromatische und ausgewogene Weißweine zu erzeugen. Chardonnay und Sauvignon gewinnen viel Schliff auf dem Kalk, doch hauptsächlich macht man daraus leicht strukturierte easy drinking wines ohne viel Charakter.

Die Erkenntnis, über ein ganz besonderes Terroir zu verfügen, wirkt offenbar beflügelnd. Gewiss kommt es vor allem den Weißweinen sehr entgegen, aber immer mehr Güter erbringen den Beweis, dass darauf auch Shiraz und Cabernet erstaunliche Klasse erreichen können. Daher steigt der Rotweinanteil, der ursprünglich nur 10 Prozent ausmachte, stetig, und nicht wenige Betriebe streben für die Zukunft 40 oder sogar 50 Prozent an. Eine Spezialität von Robertson sind seine süßen, verführerischen Muscadel-Weine, sowohl in gold- wie kupferfarbener Version.

Kalkhaltiger Boden in Verbindung mit Feuchtigkeit zieht aber auch Schnecken an. In Robertson hat man sich gegen die unzähligen Plagegeister ein höchst ökologisches Mittel einfallen lassen. So schuf Weltevrede zum Beispiel 200 Planstellen für Dachse. Die Borstentiere, die geradezu begeistert von Schnecken sind, werden jeden Morgen zu ihrem Einsatzort gefahren, wo sie sich mit Hochgenuss über die Schädlinge hermachen. Nach getanem Tageswerk sind sie so satt und müde, dass sie freiwillig auf die Wagen hoppeln, die sie in ihr Schlafquartier zurückbefördern.

(entnommen aus dem vorzüglichen und umfangreichen Werk „Wein" vom André Dominé aus dem Jahre 2000, in Teilen zitiert)

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