Bairrada - Die Unverwechselbare

Man wird in der Weinwelt kaum eine zweite Region finden, die einen ähnlich unverwechselbaren ureigenen, fulminanten Stil entwickelt hat, der Kritiker mit vergleichbarer Unversöhnlichkeit in Anhänger und Gegner zu spalten vermag. Bairrada-Rotwein wird zu 90 bis 100 Prozent aus der Baga-Traube erzeugt, einer Sorte, die dazu neigt, viel zu tragen und sehr spät zu reifen, weshalb Probleme mit dem im Oktober langsam aufkommenden Regen oft unvermeidlich sind. Man wirft dem Wein dieser Sorte vor, er sei zu sauer, zu tanninlastig und manchmal auch zu wenig farbtief, das heißt , sein Rotschwarz sei nicht dunkel genug. All dies trifft zu. Bairrada-Wein ist nicht in allen Jahren gut, und deshalb ist er unbeliebt bei jenen, die sich in ihrer Marketing- oder Trinkstrategie auf einen möglichst gleich bleibend zuverlässigen Geschmack verlassen wollen, die nicht bereit sind, sich auf das Spezielle einzulassen. Der Wechsel vom harschen, aber dennoch oft erstaunlich herzhaft süffigen Wein zum hochkonzentrierten festen Klassiker mit jahrzehntelangem Alterungspotential (besonders die Weine aus den vielen alten Reben mit geringem Ertrag zeichnen sich  hier aus), ist gewissermaßen ein Spagat des Geschmacks. Und wer sich die Mühe macht, auch die kleinen Weine vor dem Hintergrund der einheimischen Küche zu beurteilen, etwa in Verbindung mit dem eine Woche lang in Bairrada gebeizten und dann langsam geschmorten Ziegefleisch Chanfana, der wird feststellen, dass kaum ein anderer Wein so gut dazu passt.

Schwächen und Stärken der Bairrada-Weine erinnern an den von Liebhabern meistgeschätzten Wein Italiens, den Barolo. Der trägt jedoch in schlechten Jahren nicht seinen eigenen Namen sondern wird abgestuft zum Nebbiolo d`Alba.

Ähnlich reagieren in der Bairrada nur die besten Erzeuger, wenn sie bloß in guten oder großen Jahren abfüllen und teilweise nur Reservas und Garrafeiras auf den Markt bringen. Doch es ist nicht grundsätzlich so. „Kleine" Bairradas bekommt man meist von einer der sechs Genossenschaften, die teilweise recht tüchtige und vereinzelt sogar hervorragende Weine machen, oder man wendet sich an eine der rund dreißig Kellereien innerhalb der Region (beziehungsweise an eine der zwanzig Kellereien außerhalb - die das meiste bei Genossenschaften einkaufen).

Die „großen" Bairradas erinnern in ihrem Purismus, in ihrer Reinheit abermals an die besten traditionellen Barolos, nur sind sie vielleicht noch kompromissloser. Rui Alves, in der Bairrada aufgewachsen und seit 35 Jahren Önologe aus Praxis und Erfahrung, leitete hier ein kleines Weinlabor, ohne Chemiker zu sein, und vertritt den anachronistischen Fundamentalismus der Region: die Trauben nicht zu entrappen oder höchstens einen Teil, alles in gut kühl bleibenden lagares zu vergären, die traditionell 2 000 Liter fassen, nichts zu schönen, zu filtrieren, zu stabilisieren, den Wein in großen Holzfässern von mehreren Tausend Litern (wie im Barolo) reifen zu lassen und über mehrere Jahre durch Abstiche natürlich zu klären. Auf vielen Weingütern wird so noch heute Wein gemacht. Einige von ihnen, an der Spitze jene, die von Rui Alves beraten werden, folgen dieser Linie so konsequent, ihre Weine sind so ausgewählt (die späte Lese von Trauben mit reifen Rappen ist hier Alves` Hauptcredo), dass Nase und Geschmack einer zehn, zwanzig oder dreißig Jahre alten Garrafeira oder Reserva jeden Liebhaber großer eigenständiger Weine fast vor Ehrfurcht verstummen lassen. Es ist wie beim Barolo, nur süffiger, eleganter, manchmal auch Bordeaux-nah und doch purer, wilder, eben wieder mehr wie Barolo.

Säure, Tannin und Frucht, jene drei Elemente, die große Weine auszeichnen, sind immer vorhanden. Der Zucker, der manchmal fehlt, kommt im Verlauf der späten Reife von selbst hinzu. Dieser markante, authentische Stil hat seine Ursache wahrscheinlich in der Geschichte. Bairrada ist uraltes Kulturland, und Weinbau wird schon in der Vorgeschichte vermutet. Die Region liegt nah am Meer, hier fällt genug Regen (1 000mm), und die besten Weinberge mit Lehm-, Mergel- und Kalksteinunterlagen aus dem mittleren und oberen Jurazeitalter liegen an den Hauptverkehrswegen. Intensiven Handel, nach außen wie innen, hat es hier immer gegeben, und erfolgreiche Exportgeschäfte lassen sich nur mit edlem, stabilem Wein tätigen. Natürliche Säure, zur Reife addiert, befähigen den Bairrada ursprünglich sogar zum idealen Verschnittpartner für Douro-Wein.

Im Mittelalter wirkten die mächtigen Klöster von Lorváo und Vacarica in der Region kulturfördernd, übertroffen noch von der Kirche in Coimbra, die diese drittgrößte Stadt Portugals jahrhundertelang zum klerikalen Zentrum des Landes erhob. Die Konzentration geistlichen Wissens zog 1307 mit der Niederlassung der 1288 in Lissabon gegründeten Universität weltliches nach sich ( ein kleiner Teil davon wird vielleicht auch Weinwissen gewesen sein). Im 14. und 15. Jahrhundert, zur Blütezeit von Seefahrt und Handel, sollen rund 28 Prozent der Gesamtfläche der Region mit Reben bestockt gewesen sein. Heute sind nur noch zehn Prozent, gerade 13 000 Hektar (70 Prozent davon entfallen auf rote Sorten) übrig geblieben. In den alten, für Maschinen unzugänglichen Weinbergen ist der Anbau für immer mehr der rund 4 500 Winzer nicht länger rentabel.

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