Abruzzen-Basilikata - Die Potentiellen

Die Abruzzen gehören zu den unbekannteren italienischen Weinbauregionen, obwohl der populäre Rotwein Montepulciano d`Abruzzo von dort stammt. Das Gebiet, das von Latium im Westen, von Umbrien und den Marken im Norden sowie vom kleinen Molise im Süden gegrenzt wird und sich von den höchsten Gipfeln des Apennin, der Gran-Sasso-Gruppe mit 2912 Metern Höhe, hinab zur Adria- Küste zieht, ist eine der produktivsten Regionen des Landes.

Ob man die Abruzzen noch zu Mittel- oder schon zu Süditalien rechnet, ist letztlich eine Frage des Standpunkts. Geografisch und ampelografisch gesehen besteht große Verwandtschaft mit der nördlichen Nachbarregion Marken, die nicht nur eine ähnliche Landschaft und vergleichbares Klima besitzt, sondern zum Teil auch mit dem roten Montepulciano der Abruzzen bestockt ist. Unter politischen und sozialen Aspekten muss man die Region dem seit Jahrhunderten in Unterentwicklung verharrenden Süden Italiens zurechnen, weshalb auch der Weinbau wenig Chancen hatte und hat, sich zu einer ernsten Konkurrenz der nord- und mittelitalienischen Gebiete zu entwickeln. Zu Füßen der mächtigen Bergmassive sind die zur Adria orientierten Hügel in Höhen bis zu 600 Metern mit Reben bedeckt. Diese Hügellagen wie auch die Weinberge an der Adria profitieren damit trotz ihrer südlichen Lage von sehr ausgeglichenem, beinahe mildem Klima. Das Gleichgewicht zwischen Sonne und Kühle ergibt reiche, aber nicht übermäßige Weine.

 

TREBBIANO UND MONTEPULCIANO 

Das Sortenspektrum ist eines der sparsamsten in Italien: lange umfasste es eine weiße Sorte, Tebbiano, und eine rote, Montepulciano. Erst in den letzten Jahrzehnten haben italienische und internationale Reben wie Ciliegiolo, Passerina, Merlot, Cabernet und sogar Riesling vorsichtig Einzug gehalten. Bei den Weißweinen beherrscht der Trebbiano d`Abruzzo, eine Variante der verbreiteten Sortengruppe, das Bild. Die Weine der gleichnamigen DOC-Bezeichnung sind dabei selten zu mehr als dem Alltagsgebrauch geeignet. Nur wenige Winzer keltern aus alten, ertragsreduzierten Reben ausdrucksvolle Weine, deren individuelle Aromen nicht jedermanns Sache sind. Die weiträumig kultivierten Trauben des roten Montepulciano d´ Abruzzo - nicht zu verwechseln mit dem Sangivese-Wein Nobile die Montepulciano-, aus denen Weine mit geringer Säure und angenehmen Tanninen hervorgehen können, treffen dagegen den Geschmack eines internationalen Publikums. Ob der Montepulciano mit dem Sangiovese der Toskana verwandt ist, bleibt fraglich, unterscheiden sich seine Weine doch stark von den großen toskanischen Roten, deren Dichte sie zuweilen, ihre Eleganz und Langlebigkeit kaum je erreichen. Guter Montepuliano d´ Abruzzo kann mit ungewöhnlichen Aromen und einer Tanninstruktur überraschen, die ihn zum idealen Begleiter von Wildgerichten macht. Meist werden die Weine jedoch süffig und rund ausgebaut, sodass ihre Tannine nicht zum Tragen kommen.

 

ALTERNATIVE WEINTYPEN

Angenehme Fruchtigkeit zeichnet auch den Cerasuolo aus, die Rosè-Variante des Montepulciano. Die oft recht dunklen Weine besitzen nicht selten einen erhöhten Alkoholgehalt, der sie weniger als leichte Sommer-Rosès empfiehlt.
Das eintönige Panorama der Abruzzen. Weine ist jüngst bereichert worden. Im äußersten Norden der Region, um die Stadt Controguerra an der Grenze zu den Marken, wurde ein neues DOC-Gebiet eingerichtet, dessen Sortenspiegel Namen verzeichnet, die hier vor nicht allzu langer Zeit noch unbekannt waren. Wie in der Toskana und anderswo in Italien versuchte man so, eine Flut von Prestige-Tafelweinen einzudämmen, die auf den Märkten bessere Preise erzielten als die DOC-Gewächse derselben Gebiete. Diese Gefahr war in den Abruzzen besonders groß, denn mit dem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis konnte sich der Montepulciano zwar eine interessante Marktposition im Bereich einfacher, harmonischer Provenienzen verschaffen, es gelang aber trotz aller Anstrengungen einzelner Winzer bisher nicht, ihm ein Prestige aufzubauen, das höhere Preisambitionen zugelassen hätte. Ob die auf den Märkten noch kaum präsente DOC-Bezeichnung Controguerra dies vermag, muss die Zukunft zeigen.

 

MARKEN

Südliche Verlängerung der Romagna mit ihren beliebten Badestränden auf der einen, Beginn der Abruzzen-Landschaft auf der anderen Seite, pendeln die Marken auch in Bezug auf ihre Weine ein wenig zwischen den Welten. Mit fast allen benachbarten Regionen teilen sie Rebsorten, Böden oder klimatische Bedingungen - demzufolge auch die Weintypen -, was mit ein Grund für das in der Vergangenheit schwach ausgeprägte Profil des regionalen Weinbaus war. Zwar sorgte die Nähe der Strände von Rimini und Riccione für einträglichen Weinumsatz, aber gerade das vereitelte die Bemühungen um Qualitätsweinbau: Warum sollte man unnötig Arbeit und Kapital investieren? Jahrzehntelang waren jenseits der Regionalgrenzen kaum mehr als die weißen Verdicchio-Weine bekannt, wobei die Amphoren-Flaschen - ein Geniestreich Mailänder Marketing-Spezialisten - am Ruhm wohl größeren Anteil hatte als die Qualität des Inhalts.
Dabei war gerade in den Marken das Gleichgewicht zwischen Weiß- und Rotweinen in quantitativer wie qualitativer Hinsicht traditionell ausgewogener als in Umbrien, wo Orvieto dominiert, oder in der Sangiovese-Hochburg Toskana. In den letzten Jahrzehnten verschob sich da Qualitätsspektrum der Region dann von Weiß- zu Rotweinen, deren Basis die Rebsorten Montepulciano und Sangiovese sind. Der Weinbau der Marken bedeckt große Teile des Hügellands im Hinterland der Adria-Strände und stößt gelegentlich bis an die  Küste vor, so bei den Felsmassiven südlich der Hauptstadt Ancona. Der mildernde Einfluss des Meeres, der sich bis in die ersten Hügelketten bemerkbar macht, steht im Kontrast zum Klima der Apennin- oder Abruzzen-Täler, die sich tief ins Landesinnere ziehen. Das kühlere, rauere Klima, das hier vorherrscht, bringt seine eigenen Weincharaktere hervor und scheint vor allem den Weißweinen gut zu bekommen, die mehr Frische und Spritzigkeit aufweisen als die Gewächse von der Küste.

 

ROTWEIN MIT MEERBLICK

So wundert es nicht, dass auch der bekannteste und beste Rotwein der Marken, der Rosso Conero, fast unmittelbar an der Adria, im Küstengebiet um Ancona wächst. Angeblich sorterein aus Montepulciano-Trauben, lässt die Finesse einiger seiner Vertreter vermuten, dass gelegentlich ein wenig Sangiovese mit verschnitten wird. Schon seit Jahren zeigt eine kleine Gruppe von Conero-Produzenten, welches Potential in dem Anbaugebiet ruht. Einige  ihrer im Barrique gereiften Gewächse halten sogar dem Vergleich mit toskanischen Spitzenweinen stand - hatte man sich doch von den berühmtesten Önologen der Nachbarregion beraten lassen, darunter auch der einseitige Antinori-Chefönologe Giacomo Tachis.

In den 1990er Jahren hat sich der Rosso Conero zu einem interessanten und zudem recht preiswerten Produkt entwickelt. Rosso Piceno, sein Pendant aus dem Südteil der Region, ist zwar offiziell ein Sangiovese-Montepulciano-Verschnitt , erreicht aber nicht die Kraft und Komplexität.

 

VERDICCHIO MIT NEUEM GESICHT

Die Weißweine dominiert der Verdicchio aus den beiden DOC-Gebieten Castelli di Jesi und Matelica, die fast 80 Prozent seines Volumens liefern. Früher mangelte es dem rustikalen, kräftigen Weißen oft an Eleganz, Fruchtigkeit und Frische. Seit die Winzer der Marken den Most nicht mehr auf den Beerenschalen stehen lassen, sondern direkt abpressen, seit sie das governo - wobei dem fertigen Wein getrocknete Trauben zugefügt werden, um die Gärung erneut in Ganz zu setzen - aufgegeben haben , ist aus dem Verdicchio ein angenehm fruchtiger, leichter bis mittelkräftiger Weißwein geworden. Zu den frischen, leichten Vertretern sind jüngst auch im Barrique vergorene, kräftige Weißweine getreten.

Nicht einmal in Italien sind Herkunftsbezeichnungen wie Bianchello del Metauro, Colli Maceratesi, Falerio dei Colli Ascolani, Lacrima di Morro d` Alba oder Vernaccia di Serrapetrona bekannt, und sie werden wohl auch in Zukunft von nur regionalem Interesse bleiben. So liegt das Schicksal des Markenweinbaus in den Händen der Winzer einer kleinen Zahl von Herkunftsbezeichnungen. Symptomatisch für die aktuelle Situation ist vielleicht, dass die berühmtesten Winzer der Marken ihrer Heimatregion bereits vor Jahrzehnten den Rücken gekehrt haben: Es ist die Familie Mondavi, die in den 1920er Jahren auswanderte, seit den 1960er Jahren im kalifornischen Napa-Valley Wein macht und heute zu den weltweit bekanntesten Weinerzeugern gehört.

 

BASILIKATA

Zusammen mit der benachbarten Basilikata gilt Kalabrien als das Armenhaus Italiens. Die Region war am stärksten vom Exodus der Arbeitsemigranten in den 1960er und 1970er betroffen und konnte kaum einen Wirtschaftszweig aufbauen, der ihr Wohlstand sichern würde. Auch die Weinwirtschaft zeigt wenig ökonomisches Potential, obwohl Kalabrien mit 25 00 Hektar eine beachtliche Rebfläche besitzt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass in dieser größtenteils von unzugänglichem Bergland beherrschten Region Süditaliens im Weinbau nur mit geringer wirtschaftlicher Effizienz gearbeitet werden  kann. Dabei sind hier, wie anderswo in Süditalien, die Voraussetzungen für hochwertige Weine durchaus gegeben, und bereits in der Antike genossen Kalabriens Gewächse den besten Ruf.

Nicht umsonst gehörte die Region zu Oinotria, dem Weinland der griechischen Siedler. Die Hitze des südlichen Klimas wird in weiten Teilen des Landes durch die Höhenlage der Weinberge kompensiert, und auch die einheimischern Rebsorten sind an sich vielversprechend. Kalabrien ist vor allem die Heimat des Gagliop-po, auch Montonico Nero genannt, dessen farbintensive, stofflich überzeugende Weine mit festen Tanninen die  Basis der meisten regionalen DOC-Rotweine bilden und sich auch zum Verschnitt eignen. Einigen wenigen Erzeugern gelang das Kunststück, aus dem zunächst eher kratzigen, säurebetonten Produkt einen harmonischen Wein zu machen, der gelegentlich sogar im Barrique ausgebaut wird und sich von tiefroter Farbe, würzig und noch bedingt lagerfähig zeigt.

 

HERKUNFT UNBEKANNT

An den Südhängen des Pollino-Gebirges wird aus Gaglioppo ebenfalls ein DOC-Wein dieses Namen gekeltert, den jedoch ausschließlich die ortsansässige Genossenschaft vermarktet. Größeres Qualitätspotential besitzt der Savuto von der Cirò entgegengesetzten Seite der Sila. Hier wird der Gaglioppo teilweise mit Sangiovese verschnitten, was bei der Höhenlage der Weinberge feine, ausdrucksvolle Weine gebt. Wirklich interessante Produkte vermarkten auch hier nur wenige Winzer. Die übrigen DOC-Gebiete Kalabriens, wie Lamezia, Sant Ànna di Isola Capo Rizzuto oder Melissa, können dagegen weder mit ansprechenden Qualitäten noch mit irgendeiner, sei es auch nur regionalen, Bekanntheit ihrer Weine aufwarten und Zählen zu den zahlreichen italienischen Herkunftsgebieten, deren Einrichtung die Ambitionen einer politischen Klientel befriedigen sollte. Selbst der beste Dessertwein Kalabriens, der Greco di Bianco, ist nicht marktrelevant. Er stammt aus Bianco an der Stiefelspitze Italiens, wo er aus teilgetrockneten, rosinierten Trauben gekeltert wird. Die dichten, bernsteinfarbenen Weine mit ihren schönen Fruchtaromen und er ausgeprägten Würze werden von einer kleine Gruppe von Winzern unter diesem Namen gefüllt. Sie machen einmal mehr deutlich, was in Kalabrien   möglich wäre, und lassen das Fehlen von wirklichen Spitzenweinen umso stärker bedauern.

(entnommen aus dem vorzüglichen und umfangreichen Werk Wein" von André Dominé aus dem Jahr 2000, in Teilen zitiert)

 

Weine aus Marken, Abruzzen und Basilikata, Italien, im edelrausch-online-weinshop:

Montepulciano d`Abruzzo DOC, Villa Rocca, Marken/Abruzzen, Villa Rocca, Wein Italien 
Sehr sortentypischer Montepulciano d´Abruzzo. In der Nase finden wir Noten von Pflaumen und verschiedene Gewürze...

Montepulciano d`Abruzzo, Villa Rocca, Marken/Abruzzen,  Wein Italien, Literflasche                      
Sehr sortentypischer Montepulciano d´Abruzzo. ...

I Lavi Rosso Conero DOC, Marken/Abruzzen/Basilikata, Mecella, Wein Italien                                   
Auf dem Berg Conero wird seit über 3000 Jahren Wein angebaut. Der Rosso Conero wird aus den Trauben Montepulciano und Sangiovese hergestellt. Die Montepulcianotrauben geben einen leichten Geruch von Waldfrüchten...

Terre di Orazio, Aglianico del Vulture D.O.C., Marken/Abruzzen/Basilikata, Cantina di Venosa, Wein Italien
Wir finden kräftige Aromen von Veilchen und Johannisbeere und harmonische Barrique-Noten ...

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